Eisenbahnanschluss seit 1875
Bereits am 26.9.1872 wurde Geometer Baier vom Lautlinger Gemeinderat beauftragt, die erforderlichen Markierungen für die neue Bahnlinie zu setzten. Allerdings war die Baulinie im August des Jahres 1874 noch immer nicht festgelegt. Gewisse Parallelen zu heutigen Planungen von Verkehrswegen sind nicht zu leugnen.
Als besondere Schwierigkeit war die Steigung von Lautlingen nach Ebingen anzusehen. Um diese Tatsache herabzumindern, wurde der Bau eines Kehrtunnels in Richtung Margrethausen ins Auge gefasst. Die dadurch erzielte Wirkung wäre jedoch nicht durchgreifend genug gewesen. Gott sei Dank wurde der Bau aus diesem Grunde nicht realisiert. Einen Vorspanndienst hätte man dadurch sowieso nicht vermeiden können. Diese Steigung ist übrigens im Verhältnis die Größere wenn man sie mit Geislingen/Steige vergleicht.
Erst im Jahre 1875 wurde schließlich mit dem Bau begonnen. Die Gemeinde Lautlingen sah sich genötigt, für die Dauer des Baus einen zweiten Polizeidiener anzustellen. Christian Oßwald trat am 1. Sept. 1875 seinen Dienst an und erhielt eine Besoldung von 60 Mark. Ende September wurde dem Sebastian Alber noch gestattet auf der Parzelle 1217 eine Wirtschaftshütte zu eröffnen. Die Genehmigung galt allerdings nur für die Bauzeit der Eisenbahn. In Lautlingen war von vorneherein nur eine Haltestation und kein Bahnhof vorgesehen. Der Grunderwerb und der Ausbau der Zufahrtsstraße zur Parzelle 1619, dem heutigen Bahnhof, wurde von der Gemeinde vorangetrieben. Zum Bau der Station und der zugehörigen Bahnwartshäuser wurden insgesamt 200 Wagen Tuffstein, wahrscheinlich aus dem hiesigen Tuffsteinbruch, benötigt.
Als endlich, im Jahre 1878 die Bahnlinie fertig gestellt war, war auch in Lautlingen die Freude groß. Trotz aller Probleme war der Bau zwei Jahre vor dem durch einen Staatsvertrag mit Preußen gesetzten Termin fertig. Die Gewerbetreibenden der Stadt Ebingen hatte sich entschlossen zur Eröffnung der Bahnlinie eine Lokal- Gewerbe-Ausstellung zu veranstalten. Diese Ausstellung fand im Juni 1878 unter der Beteiligung höchster Prominenz statt. Zwei „Festzüge“ wurden dazu eingesetzt. Während der eine aus Richtung Sigmaringen in den Ebinger Bahnhof einfuhr, sammelte der andere von Stuttgart über Tübingen, Hechingen, Bisingen, Engstlatt, Balingen Frommern, Laufen und Lautlingen die diversen Ehrengäste ein. Von Lautlingen aus wurde der Zug mit zwei Loks gezogen bzw. geschoben. Um den 113 Lautlinger Schulkinder eine Freude zu bereiten, durften sie mit der Eisenbahn nach Ebingen auf die Gewerbe-Ausstellung fahren. Die Gemeinde Lautlingen bezuschusste diesen Ausflug mit 0,50 Pf. pro Kind.
Die Anstellung der „Eisenbahner“ wurde von der Bahngesellschaft vorgenommen, die zum ersten „Eisenbahneinnehmer“ den Magnus Steidle anstellte. Dieser musste jedoch eine Kaution von 400,– Mark bei der Bahnhofs-Inspektion Tübingen hinterlegen.
Schon im Jahre 1899 beantragte der Gemeinderat Lautlingen, die Haltestation in einen Güterbahnhof umzuwandeln. Daran waren auch die umliegenden Gemeinden Margrethausen, Pfeffingen, Burgfelden und Meßstetten sehr interessiert. Deshalb sollten sie auch an den Kosten beteiligt werden. Da die königliche Eisenbahngeneraldirektion das Gesuch billigte, wurde schon im folgenden Jahr, dem neuen Jahrhundert, mit der Umsetzung begonnen. Im November 1900 wurden die Baukosten mit 10 500 Mark angegeben. Die Gemeinde billigte einen Zuschuss in Höhe von 1500 Mark. Sie hatte von nun an, bis in die 70er Jahre einen voll funktionierenden, aber auch harmonisch ins Ortsbild eingefügten Bahnhof.
Gegen Ende der 70er Jahre unseres Jahrhunderts wurde der Verkauf von Fahrkarten eingestellt und auch die Zughalte aufs mindeste reduziert. Schließlich wurde der Bahnhof verkauft und dient heute als Privatwohnung. Im Zeitalter des Pkws nutzen fast nur noch die Schüler, welche die höheren Schulen in Ebingen besuchen, die Bahnverbindung. Deshalb wurde neben dem Bahnhof ein Haltepunkt gebaut, der heute mit einem Fahrkartenautomaten die Funktionen des Bahngebäudes übernommen hat.
Das schönste Bauwerk der Eisenbahn allerdings blieb erhalten und steht heute unter Denkmalschutz. Der Viadukt über den Meßstetter Talbach ist zu einem oft fotografierten und gemalten Wahrzeichen unseres Ortes geworden. Kein Erdbeben konnte diesem Gemäuer großen Schaden anhaben, und durch den Einsatz einiger beherzter Lautlinger konnte eine Sprengung durch Hitler- Handlanger kurz vor Kriegsende gerade noch verhindert werden. Statt dessen wurde die kleinere Eisenbahnbrücke im Ebinger Tal gesprengt. An einem der Viadukt-Pfeiler wurden die Erbauer des namentlich verewigt.
Auch zwei schöne Bahnwartshäuschen sind als Privatbesitz erhalten geblieben. Während das eine als Wochenenddomizil genutzt wird, wurde das andere zu einem schmucken Wohnhaus umgebaut. Zum Standort dieser Häuschen ist noch anzumerken, dass sie in der Regel an besonders kritischen Punkten errichtet wurden, so zum Beispiel in der Nähe des Lautlinger Viadukts (heute Wohnhaus Leichtle), wo die Aufmerksamkeit des Bahnwärters sehr wichtig war. Die Häuschen waren mit ca. 48 qm sehr beengt. Das war für eine kinderreiche Familie sehr wenig. Von Vorteil war allerdings, dass die Familie in einem Anbau zusätzlich eine kleine Landwirtschaft betreiben konnte.
Für weitere Interessen sei die Jahresgabe 2005 des Arbeitskreis-Schloss-Scheuer empfohlen. Sie befasst sich detailliert mit dem Thema und kann in wenigen Exemplaren noch über den Verein bezogen werden.